Liebe Teilnehmer:innen des FEMLABS, Interessierte, Neugierige und Kritiker:innen

Am 25. und 26.Oktober 2019 fand das FEMLAB, ein feministischer Kongress, statt. Wir, als Kollektiv hinter der Veranstaltung, haben versucht mit dem FEMLAB eine Veranstaltung zu schaffen, die das Thema Feminismus möglichst vielen Interessierten zugänglich macht. Das FEMLAB sollte einen Einstieg in feministische Themen ermöglichen und einen Raum schaffen, der auch ohne großes Vorwissen funktioniert. Mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten, wie Workshops, Vorträgen, Diskussionen und künstlerischen Perspektiven, wie Performances und Kurzfilmen, sollte ein Wochenende lang ein Zugang zu feministischen Ansätzen geschaffen werden, der konstruktiv, vielfältig und für alle Geschlechtsidentitäten erlebbar ist. Übergeordnetes Ziel war dabei ganz bewusst, über die Theorie hinauszugehen und gemeinsam praktische Handlungsmöglichkeiten für das alltägliche Miteinander zu suchen und so Strategien gegen den alltäglichen Sexismus und auch Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen zu entwickeln.

Das FEMLAB ist vorbei, es war ein langes und volles Wochenende mit vielen emotionalen, schönen und empowernden Momenten. Dafür möchten wir allen unseren Workshopleitenden, den vielen Besucher:innen, Supporter:innen, Künstler:innen, Musiker:innen und allen anderen Beteiligten danken. Ebenso möchten wir uns für die hohe Teilnehmer:innenzahl, die vielen positiven Rückmeldungen und die Wünsche nach Wiederholung bedanken, die an uns herangetragen wurden. 

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Neben diesem positiven Feedback erreichte uns aber auch eine Welle an kritischen Kommentaren, Nachrichten und Statements zur Nutzung der Räume des Gängeviertels als Ort für einen feministischen Kongress.

Uns wurde konkret vorgeworfen, dass wir das Gängeviertel als Ort für einen feministischen Kongress nutzen – ohne uns öffentlich vom Gängeviertel zu distanzieren und uns zu einem Fall sexueller Gewalt, der im Gängeviertel stattgefunden hat, zu positionieren und den Umgang des Gängeviertels mit diesem Fall zu thematisieren. Zusammenfassend wurde uns von unterschiedlichen Gruppen aus Hamburg deutlich gemacht, dass die Durchführung eines feministischen Kongresses dieser Größe im Gängeviertel ohne Positionierung nicht möglich sein kann und wir – als Kollektiv – durch eine Nicht-Äußerung die als mangelhaft wahrgenommene Auseinandersetzung des Gängeviertels mit dem Fall decken und uns unsolidarisch gegenüber den dort geführten feministischen Kämpfen verhalten würden. Auch wurde uns vorgeworfen, dass wir so keine Solidarität mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt zeigen würden.

Wir möchten uns hiermit – nachdem wir uns um eine Äußerung des Gängeviertels bemüht haben [https://das-gaengeviertel.info/neues/details/article/its-not-supposed-to-be-easy.html] – nochmal selbst zu den Geschehnissen in den letzten Monaten äußern. 

Wir als Gruppe haben aktiv Kontakt mit dem Fuck Off Lab (die Gruppe, die sich nach den Vorfällen vor drei Jahren zur Thematisierung dessen gegründet hatte) gesucht. Den vom Fuck Off Lab mitgeteilten Wunsch nach Veröffentlichung eines Statements auf unserer Homepage haben wir emotional und kontrovers diskutiert. Wir haben uns schlussendlich dazu entschieden, kein dezidiertes Statement auf unserer Homepage zu veröffentlichen, sondern im Text über den Veranstaltungsort eine allgemeinere Erklärung einzufügen, dass auch linke Räume Sexismusprobleme haben. Außerdem planten wir, einen Workshop zu „Täterschaft“ anzubieten, der leider kurzfristig nicht zustande kommen konnte. Den Text auf unserer Homepage haben wir schließlich noch einmal angepasst und uns auf das Gängeviertel bezogen. Diesen Text haben wir auch bei Instagram veröffentlicht. Ihr findet ihn hier: https://www.femlab-hamburg.org/allgemein.

Wir verstehen die Wut und Enttäuschung besonders des Fuck Off Labs und den Wunsch nach einer transparenten Umgangsweise, inwieweit das Gängeviertel Maßnahmen ergreift, um Vorfälle sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten und zukünftig zu verhindern. Wir verstehen ebenso die Forderung an uns, uns zu positionieren. Wir finden es wichtig, uns mit Betroffenen sexualisierter Gewalt solidarisch zu zeigen und haben die vorangegangen feministischen Kämpfe im Gängeviertel im Blick. Einer der Gründe, warum das FEMLAB ins Leben gerufen wurde, ist die Frage nach dem Umgang mit sexualisierter Gewalt und der Wunsch nach Empowerment.

Das Gängeviertel selbst hat jetzt, nach der großen Welle an Vorwürfen, die uns erreichte, ein Statement veröffentlicht, das sich zu den Vorwürfen sexualisierter Gewalt im Gängeviertel und den ergriffenen Maßnahmen äußert. Dieser Schritt war unserer Meinung nach lange überfällig, nötig und wichtig. Folgend möchten wir erklären, warum wir uns dagegen entschieden haben, das Gängeviertel auf unserer Homepage als Ort, an dem sexualisierte Gewalt stattfand oder stattfindet, zu nennen.

2017 veröffentlichte das Fuck Off Lab ein Statement zu dem Fall sexueller Gewalt und dem Umgang des Gängeviertels damit. Die Veröffentlichung durch das Fuck Off Lab betraf bis letzte Woche eine Teilöffentlichkeit, die als Teil einer bestimmten Gruppierung zu sehen ist. Sie war nicht, wie die Gruppe NIKA darstellte [https://www.nationalismusistkeinealternative.net/kommentar-zum-femlab-2019/] , eine öffentliche Bekanntmachung. Vielmehr wurden vorrangig Menschen, die einen Bezug zum Gängeviertel oder die durch ihre politischen Aktivitäten Zugang zu der durch das Statement angestoßenen Debatte haben, informiert und der Fall in dieser Teilöffentlichkeit publik gemacht.

Trotz des Statements durch das Fuck Off Lab ist auch in dieser Teilöffentlichkeit, wie die vielen Gespräche beim FEMLAB gezeigt haben, vielen nicht wirklich klar, um was es eigentlich geht und was der Vorwurf genau impliziert.

Das FEMLAB hat sich ausdrücklich und von Beginn an an Teilnehmer:innen gerichtet, die noch nicht viele Vorkenntnisse in der Thematik Feminismus haben. Mit dieser Ausrichtung haben wir anscheinend einen Nerv getroffen, denn das FEMLAB wurde weitreichend öffentlich genannt, so bspw. im Veranstaltungskalender der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg und bei „MitVergnügen Hamburg“. Es gab Presseanfragen und wir haben eine hohe Reichweite bei Facebook gehabt. Das FEMLAB bewegt sich also außerhalb der „Blase“, in der die bisherige Diskussion um das Gängeviertel und den Umgang mit sexualisierter Gewalt stattfand und stattfindet. Vielmehr richtete es sich an eine breitere Öffentlichkeit.

Eine Veröffentlichung auf unserer Homepage hätte also bedeutet, den Konflikt und die Problematik „Gängeviertel und sexualisierte Gewalt“ auf eine neue Stufe der Öffentlichkeit zu heben. Auf eine Stufe der Öffentlichkeit, die sich auf eine große Gruppe an Personen bezieht, die das Gängeviertel als Veranstaltungsort rezipiert und denen die genannte Problematik bisher (noch) nicht bekannt ist. Auf diese Stufe der Öffentlichkeit hat bisher noch keine feministisch aktive Gruppe die Thematik „Gängeviertel und sexualisierte Gewalt“ gehoben. Die Forderung, die an uns gestellt wurde, war also eine große.

Wir glauben, dass diese Stufe der Öffentlichkeit absolut wünschenswert ist und schon lange überfällig war. Aus unserer Sicht war es jedoch Aufgabe des Gängeviertels, diese Öffentlichkeit herzustellen und sich auf der Homepage zu positionieren und auch die Maßnahmen, die seit 2017 ergriffen wurden, darzustellen und offen zu legen. Weshalb wir diese Thematik auch energisch an das Gängeviertel herangetragen und uns bisher zurückgehalten haben, uns öffentlich dazu zu äußern.

Die Stellungnahme vom Gängeviertel wurde nun nach dem FEMLAB und auch auf unser Drängen hin veröffentlicht. Trotzdem möchten wir dieses Statement nicht als unseren Erfolg darstellen, sondern sehen es als Ergebnis der feministischen Diskussionen, Debatten, Kämpfe und Aktivitäten, die im Gängeviertel stattfanden und stattfinden. 

Das alles gesagt; uns ist bewusst, dass auch wir Fehler gemacht haben. Wir hätten intensiver mit den feministischen Gruppen kommunizieren müssen, die diesbezüglich an uns herangetreten sind. Wir hätten früher die Problematik erörtern und mit dem Gängeviertel diskutieren müssen. Wir hätten uns mehr Unterstützung bei einer Suche nach dem Umgang damit suchen und mehr Workshops zu dem Thema anbieten können. 

Wir unterstützen, dass das FEMLAB als Anlass diente, die Diskussion neu anzustoßen und wieder in den Fokus zu bringen. Auch uns ist es wichtig, dass dem Gängeviertel deutlich gemacht wird, dass ein offener und transparenter Umgang mit Vorfällen von sexualisierter Gewalt grundlegend ist und Feminismus nur durch offene Debatten, (Selbst-)Reflektion und gemeinsames Handeln gelebt werden kann. Darüber hinaus möchten wir auch darauf hinweisen, dass es ebenso positive Rückmeldungen darüber gab, den Kongress „ausgerechnet im Gängeviertel“ zu machen.

Wir glauben, dass Kritik wichtig ist und auf Fehler hingewiesen werden muss. Wir glauben auch, dass feministische Kämpfe emotional sind und Wut wichtig ist für Bewegung. Wir haben nicht den Anspruch erhoben, alles richtig zu machen. Die Entscheidung, das Gängeviertel nicht als Ort sexualisierter Gewalt und Vergewaltigung auf unserer Homepage zu nennen, ist nach intensiven Debatten getroffen worden und wir haben sehr genau abgewogen, ob wir ein solches Statement veröffentlichen oder nicht. Das kann mensch als richtig oder falsch ansehen.

Was wir nicht richtig finden, ist, dass von der eigenen Meinung abweichende Entscheidungen, wie die unsrige, nicht akzeptiert werden. Wir haben das Gefühl, dass die Aufforderung zur öffentlichen Distanzierung zum FEMLAB unserer Veranstaltung schaden sollte. Das ist schade, sollte es doch Ziel dieser Veranstaltung sein, Feminismus einer breiteren Gruppe zugänglich zu machen und so langfristig mehr Mitstreiter:innen zu finden. Ein solches Vorgehen widerspricht unserer Meinung nach dem Anliegen, für das Feminismus letztlich steht oder stehen sollte und schädigt mehr die Sache selbst, als dass es dem gemeinsamen Kampf förderlich wäre.

Wir hoffen, dass mit der nun erfolgten Äußerung des Gängeviertels eine fruchtbare Debatte beginnen kann. Wir selbst werden uns im neuen Jahr mit im Gängeviertel angesiedelten feministischen Gruppen an einen Tisch setzen und darüber diskutieren, wie es nun weitergehen kann. Wir wollen mehr miteinander, nicht gegeneinander. 

Die Orga vom FEMLAB

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